Bedeutende Relikte der Familien- und Ortsgeschichte erörtert

Beim jüngsten Treffen der historisch interessierten Gemeindebürger konnte Bürgermeister Christian Hirtreiter im Rathaus die seit zehn Jahren engagiert tätigen Gremiumsmitglieder begrüßen (28.1.25). Eingangs konnte anhand von Lichtbildern die in der Gemeinde Straßkirchen wichtige „Weihnachtskrippen-Tradition“ anhand der Kirchenkrippen und der Krippen der Künstlergemeinschaft beim traditionellen Straßkirchner Adventsfenster dargestellt werden.

Erstmals war Norbert Ubrig bei dem Gremium dabei und wird sich künftig dem interessanten Themenfeld „Flucht und Vertreibung“ in Straßkirchen widmen. Durch den 2. Weltkrieg wurden Millionen von Menschen entwurzelt. Gerade im letzten Kriegswinter 1944/1945 flohen viele aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten vor der heranrückenden „Roten Armee“ nach Westen. Nach den Vertreibungen folgten gezielte Aussiedlungen von Deutschen aus  u.a. den Ostgebieten, Sudetenland, Schlesien und vielen anderen über Jahrhunderte von deutschstämmigen Volksgruppen besiedelten Gebieten. Die Unterbringung folgte in Notquartieren, Flüchtlingsunterkünften, großen Lagern und Privatfamilien.

Norbert Ubrig stammt aus einer Textilkaufmannsfamilie aus Schlesien. Er ist selbst noch 1944 im oberschlesischen Friedland geboren. Der rüstige Senior Norbert Ubrig berichtete wie er nach mehreren Zwischenstationen u.a. in Hochbruck/Bischofsmais als sechsjähriger Junge 1949 nach Straßkirchen kam.

Der mit Straßkirchen eng verbundene Schriftsteller und Heimatforscher Max Peinkofer regte bei seinen befreundeten Straßkirchner Familien an, dass man „nicht einmal ein Schneuztücherl (Taschentuch)“ in Straßkirchen kaufen könne und man daher unbedingt ein entsprechendes Textilgeschäft brauche. Über verschiedene Verbindungen wurden die Eltern von Norbert Ubrig nach Straßkirchen „gelotst“ und hatten von 1949 an in der Lindenstraße ein Textilgeschäft, welches dann 1954 direkt gegenüber der heutigen Sparkasse in die Straubinger Straße umgesiedelt wurde. Die Familie Süßbrich führte in der Lindenstraße eine gewerbliche Handlung weiter, wobei heute an dieser Stelle nur noch eine Wiese besteht. Bereits 1964 wurden die Geschäftsräumlichkeiten des „Textilgeschäfts Hubert Ubrig“ um ehemalige Stallungsräumlichkeiten erweitert. Das Textilgeschäft war über 50 Jahre bis zum 31.12.2003 als Familienunternehmen in Betrieb und eine feste Institution am Ort. Norbert Ubrig berichtete von dem Warenangebot, Textilien, Gardinen und etlichen Kleidungssorten, die sich im Laufe der Jahre mit unterschiedlichen Schwerpunkten weiterentwickelte. Ubrig erzählt zu den unterschiedlichen Familien, die sich im Zeitraum nach dem 2. Weltkrieg im Gäubodendorf Straßkirchen ansiedelten. Gerade die Namen der Straßen: Sudetendeutsche Straße, Schlesische Straße erinnern an diese turbulente Zeit, so Ubrig.

Der Wohnungsbau mit staatlicher Förderung setzte unmittelbar nach der Währungsreform 1948 in großem Umfange ein. Das erste Vorhaben mit sieben Eigenheimen entstand 1950 an der Frühlingstraße. Die Gemeinde Straßkirchen hatte hierzu durch Erbbaurechtsvertrag den Baugrund zur Verfügung gestellt.

1952 schafften sich acht Familien an der Rosenstraße ihr eigenes Heim. Von 1952 bis 1956 legten über vierzig Familien Hand mit an, um sich auf dem Platze des ehemaligen Ziegelwerkes Josef Baier (Ringstraße, Steinweg, umgangssprachlich „Greil-Gruam“) ein Wohnhaus zu bauen. Im gleichen Zeitraum bauten am Sandweg acht Familien ein Eigenheim. Die Besiedelung eines ehemaligen Ackergrundstückes im Umgriff der heutigen Paitzkofner Straße mit 35 Wohnbauten erfolgte in den Jahren von 1954 bis 1960 (Lerchenstraße, Frühlingsstraße) – historisches Foto anbei. Norbert Ubrig wird künftig bei dem Gremium mitarbeiten, denn gerade die heute fest integrierten ehemaligen „Neubürger“ sind nun schon richtige Einheimische, war man sich einig.

Der Schambacher Josef Bock berichtete zu seinen Aktivitäten und stellte eine Berichterstattung zum bekannten Schambacher „Jaga Sepp“ und dem abgebrannten Waldgasthaus „Rehbock“ in Aussicht. Der gebürtige Putzenhofener, Hans Edenhofner, ist derzeit am Verfassen einer Abhandlung zum ehemaligen Ortsteil Putzenhofen, den er im Vorentwurfsstand darstellte. Da kaum noch neue Familiengräber angelegt werden, verschwindet auch ein Stück Friedhofskultur. In den vergangenen fünf Jahren wurden am Straßkirchner Gemeindefriedhof lediglich wenige neue Familiengrabstätten geschaffen. In Straßkirchen wird ein großer Wert auf den Erhalt des Friedhofs auch als geschichtliches Gedächtnis gelegt, so wird im Rahmen des diesjährigen „Tag des offenen Denkmals“ erstmals hier ein Angebot in Straßkirchen gestaltet.

1993 wurde erstmals der Tag des offenen Denkmals ins Leben gerufen und bundesweit öffnen an diesem Sonntag viele Denkmale. Das größte Kulturevent Deutschlands steht unter einem jährlich wechselnden Motto. Diese Leitthemen dienen den Veranstaltenden als Impulse und Denkanstöße für ihre Events zum Tag des offenen Denkmals. Der „Tag des offenen Denkmals 2025“ wird am 14. September zum Thema „Wert-voll“ organisiert und in Straßkirchen wird eine Kriegerdenkmals-/Friedhofs-Führung Straßkirchen gestaltet.

Das Motto am zweiten Septembersonntag 2025 ist: „Wert-voll“ Wahrzeichen beschreiben oftmals einzigartige Bauten, die uns als wiedererkennbare Sehenswürdigkeiten in Erinnerung bleiben. Indem sie für ein bedeutendes historisches Ereignis stehen. Erstmals  wird in Straßkirchen ein Beitrag zum diesjährigen „Tag des offenen Denkmals“ organisiert. Das markante Straßkirchner Kriegerdenkmal steht mittlerweile an der vierten Stelle seit der ursprünglichen Errichtung an der Irlbacher Straße. Es wird auf die Entwicklungen des Denkmals und der Erinnerungskultur hingegangen. Mittels des schönen Straßkirchner Denkmals wird u.a. der Gefallenen der Weltkriege gedacht. In vielen Städten stehen monumentale Heldendenkmäler.

Die Geschichte des Straßkirchner Denkmals und seiner Erinnerungen an die Straßkirchner Opfer der schrecklichen Kriege wird bei der Führung dargestellt. Die Zeitzeugnisse der Kriegszeiten sind vielfach vergessen, aber sind gerade heutzutage zunehmend von Wichtigkeit. Gleichzeitig ist das Thema „Wert-voll“, das sich im ersten Teil des Begriffs „Wert-voll“ im Motto des Denkmalstags verbirgt, in Zeiten von zunehmenden Herausforderungen in der Gesellschaft immer relevanter geworden. Denkmale stehen mit ihrer Bausubstanz und mit ihrer Erinnerungskultur den digitalen Bildern der heutigen Zeit gegenüber – sie sind authentische Zeitzeugen und verlässliche Wissensquellen, gerade im Hinblick auf die Opfer von Krieg und Gewalt. Diese bei der Führung zu erläutern und den Teilnehmern vor Augen zu führen, bietet spannende Ansatzpunkte. Im zweiten Teil der Führung wird auf die Begräbniskultur am Straßkirchner Friedhof -anhand ausgewählter Beispiele- eingegangen. Erzählen doch Grabmale nicht nur von ehemaligen Bürgern, sondern auch von ortsgeschichtlich relevanten Ereignissen. Gerade die Begräbniskultur ist in der Gäubodenortschaft aufgrund des überregional bekannten Bajuwarenfriedhofs, des in den 1950er Jahren aufgelösten Kirchenfriedhofs, des gemeindlichen Friedhofs und des Pestfriedhofs, von besonderer Bedeutung. Im Hinblick auf die Dokumentation in der Begräbniskultur, u.a. die beiden kirchlichen Friedhöfe Paitzkofen und Schambach, sowie dem gemeindlichen Friedhof in Straßkirchen, wurde ebenso zum Sachstand berichtet.

Überregionales Kleinod im Gäuboden

Dargestellt wurde die überregionale Bedeutung der der heutigen Straßkirchner Pfarrkirche St. Stephanus benachbarten Allerseelenkapelle mit Karner (Beinhaus) und mit dem nun neu geweihten Kreuzweg aus dem 18. Jahrhundert. Als Altarplatte ist ein Grabstein aus dem Jahr 1363 in Verwendung, was ebenso eine Besonderheit darstellt. Erst im September 2024 war ein „barocker Kreuzweg“ aus den 1780er Jahren, den Willi Goetz vor dem Verfall rettete, eingeweiht worden. Am Fest der Kreuzerhöhung, 14.9.24, wurden die 14 Kreuzwegstationen aus der Niederaster Georgskirche, nach 40-jähriger Lagerung, und erfolgter wunderschöner Restaurierung in der Straßkirchner Allerseelenkirchen aufgehängt und geweiht. Nach zwei Jahren Restaurierung hatte die Steinacher Diplom-Restauratorin Tamara Helmbrecht die Darstellungen in Stand gesetzt, berichtete Willi Goetz dem Gremium. Dank öffentlicher und herausragender privater Finanzierung erstrahlt der Kreuzweg als „kleines Wunder“ in der Straßkirchner Urkirche St. Michael. Dank des Einsatzes aller Beteiligten, konnte die Gemäldeserie für die Nachwelt gerettet werden und die Gremiumsmitglieder freuten sich über das vorbildgebende Projekt.

Bürgermeister Christian Hirtreiter dankte den Gremiumsmitgliedern fürs hervorragende Engagement in allen Bereichen. Insbesondere auch Willi Goetz zu seinem jüngst gefeierten 80. Geburtstag wurde gratuliert. Ob Schulmuseum oder Ortsgeschichte, überall sei Goetz höchst vorbildlich tätig, so Hirtreiter. Seit über 25 Jahren gibt das Schulmuseum Kindern einen Einblick in die Zeit von damals. Nach „Straßkirchen in alten Ansichten“ im Jahr 2004 und einer Ortsgeschichte 2012 gibt es seit 2021 von Willi Goetz einen dritten Band über seinen Heimatort mit dem Titel „Straßkirchen in Zeitungsartikeln“, gedruckt in der Cl. Attenkofer`schen Buch- und Kunstdruckerei Straubing. Er enthält auf 142 Seiten eine Auswahl von Goetz in den letzten 20 Jahren für das Straubinger Tagblatt verfasster orts- und heimatkundlicher Artikel aus der reichen Vergangenheit und Gegenwart des Dorfes, ausgestattet mit vielen Bildern. Auch die wichtigen Inhalte des Bajuwarengräberfeldes sind darin kommentiert.

Bürgermeister Christian Hirtreiter stellte auch das noch vorhandenen Beschlussbuch des Straßkirchner Gemeinderats vom 30.12.1936 bis zum 30.4.1952 den aktiven historisch interessierten Gremiumsmitglieder des „Historikerarbeitskreises der Gemeinde Straßkirchen“  vor: von Links: Rosi Lorenz, Hans Edenhofer, Norbert Ubrig (Neu), Josef Bock, Willi Goetz und Bürgermeister Christian Hirtreiter mit dem antiken Beschlussbuch

Das historische Foto zeigt gerade am rechten Bildrand die in den 1950er Jahren neu entstandenen „Eigenheime“ der Frühlings- und Lerchenstraße in Straßkirchen, wo sich viele ehemalige Flüchtlingsfamilien ansiedelten. In der Bildmitte ist das 1953 erbaute Schulgebäude mit damals neuem gemeindlichen Friedhof sichtbar